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Werkschau 2024 – Kyra Tabea Balderer

Fotografie und Skulptur, dies sind Kyra Tabea Balderers Medien. Was auf den ersten Blick wie ein Gegensatz tönt, ist für die Künstlerin eine fast symbiotische Beziehung: «Durch die Fotografie kann ich die Skulpturen nochmal ganz bewusst formen und ihre Eigenheiten herausarbeiten. Ich mag es, wenn ich mit meinen Fotografien den Blick auf meine Objekte steuern kann.» In ihrer aktuellen Werkserie fotografiert sie ihre eigenen Bronze- und Aluminiumskulpturen. Die Skulpturen inszeniert sie gerne vor farbigem Plexiglas oder spiegelnden Folien – so kann sie ihre Materialität am besten herausarbeiten, etwa den widerscheinenden Glanz der Bronze. Kyra Tabea Balderer fotografiert stets analog, wodurch sich der Arbeitsprozess oft über längere Zeit hinzieht. Aber auch das Schaffen der Skulpturen ist aufwendig: vom Wachsabguss über das Erstellen der Guss-Schamotten und dem Metallguss ist es der Künstlerin wichtig, selbst Hand anzulegen. Die fertigen Fotografien präsentiert sie dann oftmals in eigens dafür konstruierten Gebilden – so werden diese wieder zur Skulptur. 

Für die aktuelle Werkserie liess sich Kyra Tabea Balderer von Theorien zur Funktion des Gefässes in der Kulturgeschichte inspirieren. Die von der Kulturtheoretikerin Astrida Neimanis entwickelte Theorie des Hydrofeminismus etwa versteht den Körper als durchlässiges Gefäss, durch den Wasser zwar zusammengehalten, aber auch mit der Umgebung ausgetauscht wird. Für ihre Skulpturen erstellte Kyra Tabea Balderer Wachsabgüsse von verschiedenen Körperteilen, die sie anschliessend verformte. Diese liegen in ihrem Atelier ausgebreitet am Boden, je nach verwendetem Wachs in unterschiedlichen Schattierungen von Rot, Rosa, Orange, Gelb oder Schwarz. Aus den Abgüssen der Füsse der Künstlerin entstanden etwa zwei von Plastikschläuchen in der Luft gehaltene, vasenähnliche Behältnisse. Die Gusskanäle bleiben in ihren Arbeiten oft stehen und wirken dann wie Adern, Knochen oder Tentakel. Die Skulpturen erhalten so etwas Botanisches oder Animalisches. Körper, Tier- und Pflanzenwelt vermischen sich. An Wachs und Bronze mag Balderer, dass sie einschmelzbar und wiederverwendbar sind: «Das Thema Kreislauf ist für mich wichtig, deshalb gefällt mir dieser Aspekt sehr.»

Das Erschaffen von Kyra Tabea Balderers Arbeiten beruht auf viel körperlicher und manueller Arbeit. Dies interessiert die Künstlerin auch in einem generelleren Kontext: «Das Thema Klassismus beschäftigt mich, die damit einhergehende Erschöpfung und Ausbeutung». In ihren Skulpturen verweisen die sichtbaren Herstellungsspuren auf ihren Produktionsprozess und die Körperfragmente sind nicht selten versehrt. Diesen Aspekt stellt sie in ihren Fotografien in einen beissenden Kontrast zu einer Ästhetik, die von Werbe- und Produktfotografie inspiriert ist. Die resultierenden Bilder sind gleichzeitig gewaltsam, selbstbewusst als auch verletzlich. Und damit prägt Balderer wiederum unseren Blick – auf den Wert, die Anstrengung und das gesellschaftliche Ansehen körperlicher Arbeit. 

Ein Beitrag im Kontext der Werkbeiträge des Kantons Zürich 2024.