Werkschau 2024 – Michal Florence Schorro
Das Habitat von Michal Schorro ist der urbane Raum. Schon seit ihrer Kindheit sei sie vom Bedürfnis getrieben, in der Stadt und bei den Menschen zu sein – einem Ort der Dichte und Lebendigkeit. Wir befinden uns in Altstetten. Während draussen die brüllende Hitze auf den Asphalt schlägt, sitzen wir bei einem Espresso und Wasser am Schreibtisch und blicken gemeinsam auf den Bildschirm. Michal Schorros Atelier, das ihr seit etwa vier Jahren als Arbeitsort dient und als Teil eines Gemeinschaftsateliers neun weitere Kreativschaffende unter einem Dach vereint, wirkt hell, freundlich und strahlt eine wohltuende Ruhe aus.
Das Werk, das wir gerade betrachten, gehört zur Fotoserie colored flags (community garden policies), einem 2023 begonnenen, fortlaufenden Projekt. Es zeigt ein buntes Stück Stoff an einem Stock, der vor einer bepflanzten Fläche steht, einem mitten in Zürich gelegenen Gemeinschaftsgarten, bei dem Michal Schorro seit einigen Jahren Mitglied ist. Die unterschiedlich kolorierten Fähnchen, so erörtert die Künstlerin, können als Code gelesen werden. Als nonverbales Sprachmittel, das kennzeichnet, was gegossen, gepflegt und geerntet werden soll. Was auf den ersten Blick eher unprätentiös erscheinen mag, offenbart in feinfühliger und scharfsinniger Weise Zugänge zu vielschichtigen Themen wie etwa der Kultivierung von Land, aber auch der Verbindung zum Ort, an dem wir leben, sowie dem Austausch mit Lebewesen im urbanen Raum. Dabei spielt die zyklische Veränderung eine wichtige Rolle. «Im urbanen Raum verändert sich alles und stetig», führt Michal Schorro aus, «Bauwerke, der Raum, Pflanzen und alles steht im Zusammenhang und bietet ein Zusammenspiel zueinander. Das interessiert mich sehr.» Auch die Serie hummings (If we could see the lines of our connections, how clear would they be?) spiegelt eine sehr persönliche Sicht, die zum Nachdenken über Begegnungen und Interaktionen zwischen Menschen, Tieren und Pflanzen anregt. So beispielsweise die Aufnahmen der Türkischen Hasel, die mit den sich ändernden klimatischen Bedingungen kompatibel scheint und gerade vermehrt in Zürich angepflanzt wird. Dabei zeichnen sie sich nicht nur durch ihre ästhetischen Früchte aus, sondern schaffen zugleich neue Begegnungsorte, wo Menschen zusammenkommen, um die Nüsse einzusammeln.
Ihre Schaffensart bezeichnet die Künstlerin trotz digitaler fotografischer Mittel als analog. Auch die teilweise grossen Serien versteht sie als Fokussierung auf den Moment der Aufnahme. «In diesem Augenblick», erklärt sie, «geschieht all das Gestalterische». Spätere Retuschen oder Eingriffe gäbe es nicht in ihren Bildern. Es ist somit eine dokumentarische Momenthaftigkeit, die ihre Werke auszeichnet, bei der das Interesse der Künstlerin stets auf Orten ihres alltäglichen Lebens liegt, die sie so abbildet, wie sie sie sieht: roh, ehrlich und mit einer bemerkenswerten Sensibilität.
Ein Beitrag im Kontext der Werkbeiträge des Kantons Zürich 2024.