Werkschau 2024 – Olga Titus
Bei meiner Ankunft ist gerade eine Gruppe von Kindern damit beschäftigt, den sonnenbeschienenen Bürgersteig vor Olga Titus‘ Ateliertür mit Kreidefarben zu verschönern. Es herrscht ein wortwörtlich buntes Treiben und eine dichte Lebendigkeit, die zweifelsohne mit dem Innern des Ateliers zu resonieren vermag.
Das im brandneuen Stadtteil Lokstadt gelegene Studio ist geprägt von Sichtbeton sowie einer weissen Backsteinwand, was dem Raum einen loftartigen Charakter verleiht. Eine Fensterfront zur Strasse unterstreicht die Grosszügigkeit der Lokalität und sorgt für angenehmes Tageslicht. Zu entdecken gibt es allerlei: Gross- und kleinformatige Werke füllen hängend, stehend oder liegend Wände und Boden und verschiedene Ablagen bieten Platz für Figürchen und kleinere Kuriositäten.
«Wenn ich mich für ein Medium entscheiden müsste», bekennt Olga Titus zu Beginn unseres Gesprächs, «dann wäre es wohl die Videokunst.» Und obwohl Videoarbeiten einen wichtigen Platz in ihrem Schaffen einnehmen, entscheiden muss sie sich glücklicherweise nicht. Denn ihre medienübergreifenden Arbeiten zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie sich fliessend zwischen der analogen und digitalen Welt bewegen. Dies veranschaulichen beispielsweise die seit ein paar Jahren das Œuvre der Künstlerin auszeichnenden Paillettenbilder. Hierbei werden auf einen Stoff gestickte Pailletten aufwendig und beidseitig mit digital komponierten, abstrakten Collagebildern bedruckt, sodass, je nachdem, welche Seite der Pailletten nach oben zeigt, entweder Ausschnitte des einen oder des anderen Bildes sichtbar werden. Es ist eine Verbindung aus traditioneller Handwerkskunst der Haut-Couture sowie einem digitalen Druck- und Bildverfahren, wobei die Digital-analog-Verbindung weiter durch den pixelhaften Charakter der Pailletten hervorgehoben wird. «Es sind fluide Werke, die sich in stetigem Wandel befinden», so die Künstlerin weiter. Ein perfektes, fertiges Bild gibt es im klassischen Sinne nicht, sondern, wie Olga Titus betont, habe sie durch diese Arbeiten vielmehr gelernt, alles im Prozess und als Teil eines übergeordneten Ganzen zu betrachten.
Auch ihre neuesten Arbeiten, Lentikularbilder, greifen auf diese Wechselhaftigkeit zurück. Ganz anders als bei den sehr raumeinnehmenden Paillettenbildern sind diese eher klein gehalten und bilden eine Verbindung zwischen Video und Malerei, indem hinter die digital generierten, malerischen Bildschichten eine erst auf den zweiten Blick erkennbare Videosequenz gelegt wurde. Eine zusätzliche, fast skulpturale Komponente erhalten die Arbeiten darüber hinaus durch eine Tiefe, die durch die Schichtung der Bildebenen erzeugt wird.
Auf einem schmalen Grat zwischen poetisch, geheimnisvoll und übertrieben kitschig greift Olga Titus gestalterisch gerne auf kulturelle Elemente ihrer malaysisch-schweizerischen Wurzeln zurück und schafft es, mit ihrer Kunst in spielerisch leichtfüssiger Bildsprache diese beiden Welten auf eine persönliche, feinsinnige und zugleich ausdrucksstarke Weise zu vereinen.
Ein Beitrag im Kontext der Werkbeiträge des Kantons Zürich 2024.