Benedikt Bock hält sich in Griechenland auf, wo er einige Jahre lebte und gerade an seinem Prototyp für die Gips-Nasen arbeitet, als wir das Gespräch über Skype führen. Eine Form der Unterhaltung, die sich als Herausforderung erweist, wenn man im richtigen Moment nachfragen will, ohne irritierende Verzögerung. Die kleinen hilfreichen Gesten im analogen Gespräch müssen virtuell anders entschlüsselt werden. Das bleibt nicht die einzige spannende Herausforderung beim Versuch, Bocks Werk zu erschliessen.
In seiner Skulpturenserie Zum Stand der Dinge stellt Bock die Besucher:innen vor vielschichtige Rätsel. So wird man aufgefordert, seine absurd und komisch arrangierten, gleichwohl äusserst genau ausgewählten alltäglichen Objekte zu entschlüsseln. Ein schönes Beispiel ist eine Installation, die aus mehreren gestapelten Kartonkisten besteht, auf denen zuoberst ein kleines Plastik-Wildschwein steht und sich selbst in der mit Spiegeln ausgekleideten Schachtel betrachtet. Der Künstler sagt dazu: «Ich mag die Metapher als Werkzeug, sie ist eine Art Trägerin, wie ein Schiff, dass die Ware, den Inhalt oder eine Frage über das Meer transportiert. Es gibt so viele Fragen, die gern über Bord geworfen werden. Für sie Schiffe zu bauen, verstehe ich als meine Arbeit.» In dieser zeichnet er die menschengemachten Konflikte nach, wie die Klima- oder die Energiekrise, und kritisiert die politische, wirtschaftliche und ökologische Schieflage, in der wir heute stehen. Bock sieht seine visuellen Erzählungen, die Serie Zum Stand der Dinge, als ein persönliches, kritisches und alternatives Wörterbuch zur Gegenwart, das er ständig ergänzt und weiterspinnt.
In seiner literarischen Arbeit manövriert Bock seine Protagonist:innen mit Humor und Komik durch unsere Kleinbürgerlichkeit und beschreibt liebevoll Figuren am Rande der Gesellschaft, ohne ihnen ihre soziale Dringlichkeit zu nehmen. Ob unter Vögeln, als Kioskverkäufer oder Wirbelwind Sabine, seine Protagonist:innen werden uns einmal in Form des Ich-Erzählers, ein andermal als autobiografische Fiktion oder als Gedicht vorgestellt.
Ein wiederkehrender Protagonist in Bocks Kurzgeschichten ist Robert Zweifel. Robert Zweifel – Ein richtiges Leben im Falschenist von Bock als Feuilletonroman gedacht. Eine Romanform, die man von früher kennt, als ein neuer Roman zunächst in zehn bis zwölf Teilstücken in einer Zeitung veröffentlicht wurde. Bock überträgt diese Publikationsform auf Lesungen innerhalb seiner Ausstellungen.
Für die Werkschau thronen hoch oben im ersten Ausstellungsraum die Nasen aus Gips, die Bock absichtlich auf uns herabschauen lässt. Die Verbindungen zwischen der Bildenden Kunst und der Literatur sind in Bocks Werken gegeben. Dennoch illustrieren die in der Ausstellung zu sehenden Nasen nicht zwingend den Text, den die Besucher:innen via QR-Code als Audio hören können. Sie sind lediglich ein Angebot, die Herausforderung anzunehmen. Oder vielleicht zu riechen, wie hier der Hase läuft?
Nadja Stephanie Schmid studierte Curatorial Studies (MA Art Education) an der Zürcher Hochschule der Künste. Sie war als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kunstmuseum Basel tätig und kommentiert in unterschiedlichen Formen Kunst.