In der neuen Ausstellung ‹Auf der Suche› widmet sich das Helmhaus Zürich den im Kunstbetrieb Übersehenen. Daraus resultiert ein Potpourri, das gleichzeitig berührt und ratlos macht.
Zürich — Suchen ist schwierig – Finden ebenso. Vielleicht deshalb konzentriert sich das Helmhaus in seiner neuen Ausstellung auf den Prozess des Suchens, und gibt gar nicht vor, die Lösung gefunden zu haben. Das Kunsthaus am Limmatquai, finanziert von der Stadt Zürich, hat in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass man sich als Institution nicht allzu ernst nehmen muss und dennoch ernstzunehmende Ausstellungen ausrichten kann, die gleichzeitig überraschen.
Der neuste Versuch, und ja, Versuch ist hier der angebrachte Begriff, heisst selbsterklärend ‹Auf der Suche›. Der Chef des Hauses, Simon Maurer, hat sich mit Kurator Daniel Morgenthaler und den zwei Gastkuratorinnen Vreni Spieser und Nadja Baldini aufgemacht, zu suchen, was bislang unentdeckt geblieben ist in Zürichs Kunstunterwelt.
Kitsch oder Kunst?
Die nun 13 Künstlerinnen und Künstler wohnen oder wirken in der Stadt oder sind anderweitig eng mit ihr verbunden. Gemeinsam ist ihnen: bislang wurden sie kaum beachtet. Noch zu jung, um bereits genug vernetzt zu sein; schon zu lange dabei, um noch die richtigen Kontakte zu haben; zu scheu und still oder zu laut und gefährlich: ‹Auf der Suche› widmet sich jenen, die bislang übersehen oder übergangen wurden.
Was sich in der Ausstellungsbroschüre attraktiv liest, wirkt in der Realität des Ausstellungsraumes wie ein wildes Potpourri, ohne verbindende Melodie. Die 22-jährige Absolventin der F+F Schule für Gestaltung, Amina Nabi, streicht einen Raum pink und bemalt ihn mit Worten des adoleszenten, feministischen Aufbegehrens. Darin steht ein Kajütenbett, zugedeckt von einem Berg aus Plüschtieren. Ist das kindlicher Kitsch oder schon eine eigenständige Kunstsprache? Ihre Antwort schreibt Nabi gleich selber an die Wand – als Frage: «Ist das Kunst, weil es im Helmhaus steht?»
Insel der Möglichkeiten
Ein Raum weiter setzt sich Mara Züst mit der Drucktradition im westbengalischen Kolkata auseinander. Daneben zeigt Ivana Kojić ein vermintes Gelände, die Heimat Bosnien, in der sie als Serbin aufgewachsen war: ein echter Wald im White Cube, der Boden aufgebrochen durch in Watte gepackte Bomben. Alejandra Jean-Mairet behandelt ihre schwere rheumatische Erkrankung bildlich, indem sie ihre schmerzenden Hände täglich fotografiert. Pakkiyanathan Vijayashanthan stellt einen Abfallcontainer auf – und erschreckt Besuchende, die hineinschauen, mit einem unerwarteten Inhalt.
So breit die Suche von den Kuratierenden angelegt wurde, so divers sind die zusammengetragenen Werke und Medien, bis hin zum Kaffeesatz als Malfarbe. Simon Maurer begründet die Auswahl: «Das Helmhaus versucht, eine Insel der Möglichkeiten zu sein. Möglichkeiten, Kunst zu machen und aufzunehmen. Möglichkeiten, Leben zu vermitteln, Beziehungen zu schaffen. Dieses soziale Element der Kunst ist und war uns immer wichtig.» Man habe damit auch sich selber als Kuratorium hinterfragen und sich des Privilegs der Auswahl wieder bewusst werden wollen: Was ist überhaupt Kunst?
Die eine Antwort darauf gibt es nicht. Doch im Helmhaus zeigt sich Kunst zurzeit als das, was sie leisten kann und muss: zusammenbringen, was nicht zusammengehört, Reibungsfläche herstellen, Fragen aufwerfen. Jedes Suchstück tut dies auf seine eigene Art – wie auch jede Besucherin und jeder Besucher auf die eigene Art Antworten für das eigene Leben finden darf. Im Ungeklärten zu stehen, kann auch klärend sein. Suchen ist schwierig – manchmal muss man gar nicht finden, um weiterzukommen.
Mario Fuchs, CAS ‹Schreiben in Kunst und Kultur›, ZHdK, 2019. mario.fuchs@zhdk.ch