Tiere stehen im Zentrum von Benjamin Eggers Werk. Ihn interessiert, wie unterschiedlich sie die Welt wahrnehmen, welche Überlebensstrategien sie entwickelt haben, wie sie sich organisieren und sich gegenseitig beeinflussen. Hinter all dem steht das Bestreben, den menschlichen Blick in Frage zu stellen, der allzu oft nur auf sich selbst gerichtet ist. Fasziniert ist Egger von den vielfältigen Wahrnehmungs- und Organisationsformen, welche die nicht-menschliche Tierwelt zu bieten hat. In seinem Atelier finden sich über dem Schreibtisch denn auch zwei Regale voller Bücher über die Entwicklung von Tieren und ihrem Verhältnis zum Menschen. Romantisieren will Benjamin Egger allerdings weder die Natur noch die Tierwelt. Auch in diesen Bereichen gibt es viel Brutalität und das Zusammenspiel der verschiedenen Arten ist komplex. Vielmehr geht es ihm darum, immer wieder die Frage aufzuwerfen, wer welchen Raum einnimmt, auf welche Art dies geschieht, und wann etwas invasiv wird. Besonders interessiert ihn dabei die spezielle Partnerschaft zwischen Mensch und Hund. Leidenschaftlich erzählt Egger, weshalb die übliche Narration, dass der Mensch den Hund unterworfen habe, zu kurz greife. Denn der Hund habe auch massgeblich den Menschen beeinflusst, viele Entwicklungen der beiden Spezies verliefen parallel zueinander.
Für die Werkschau hat Benjamin Egger zwei grossformatige Zeichnungen erarbeitet, in denen er mit Kohle und Wasserfarbe ein dichtes Geflecht aus Pflanzen, Mensch und Tieren entwirft. Wie um die geheimnisvolle Reichhaltigkeit dieser Interaktion zu untermalen, sind es Fantasiewesen, die da im Zentrum der Bilder sitzen. Im einen Bild ist es ein dicht ineinander verwobenes Geflecht aus Biber, Reh und Kaktus, im anderen Bild verschmelzen Hund, Chamäleon und Oktopus ineinander. In beide Bilder greift eine menschliche Hand ein. Die Geste ist zärtlich, kann aber auch als potenziell bedrohlich aufgefasst werden. Diese Ambivalenz ist für Egger zentral und spiegelt sich auch im Kontrast zwischen einer latenten Übergriffigkeit innerhalb der Szenerie und ihrer Darstellung in pastellfarbenen Wasserfarben. Auch dieses Medium hat Egger bewusst gewählt. Es wirkt zwar unschuldig und verspielt, ist in der Handhabung jedoch erbarmungslos: Das Malen mit Wasserfarbe erlaubt praktisch keine Korrekturen, jeder einzelne Pinselstrich hat Konsequenzen. Die Zeichnungen sind aus je neun einzelnen Blättern zusammengesetzt, die mit einem geringfügigen Abstand zueinander aufgehängt sind. Dies erzeugt den Effekt, dass die Betrachter:innen das Geschehen wie durch ein Fenster betrachten, das einen Blick hinein in eine magische Welt ermöglicht. Die in diese Welt eingreifenden Hände funktionieren – ähnlich der Rückenfigur in traditioneller Malerei – als Identifikationsmotiv. Entsprechend lassen sie die Betrachter:innen mit der Frage zurück: Wie verhalte ich mich in Bezug auf dieses fesselnde Geflecht?
Benjamin Egger (*1981, Kloten) studierte im Bachelor Fine Arts an der ZHdK sowie der Bezalel Academy of Art and Design Jerusalem (2004-2008) und im Master Transdisziplinarität an der ZHdK (2012-2014). Er ist Mitbegründer des WOFF Collective und seit Herbst 2023 Dozent am Bachelor Fine Arts der ZHdK.
Ausstellungen (Auswahl):
2022 Migros Museum für Gegenwartskunst; Kunsthal Gent
2012 Internationalen Kurzfilmtagen Winterthur; NewFest Filmfestival in New York