Giampaolo Russo — Blick nach draussen

Zürich — Wenn man die Welt des Malers Giampaolo Russo (*1974) anhand seiner Werktitel vermisst, so umfasst sie nur einige wenige Aspekte: Südstrasse, Bäume, Nebelbach, italienischer Koniferenbaum, Palazzo, Dachblick, Schornstein, Marisa. Diese Stichworte stehen aber stellvertretend für jene Themen, welche Russo subtil in seinen Bildern herausarbeitet: Kindheit, Identität und Natur.

Der Künstler ist zwar in Zürich geboren, lebte jedoch bei seiner Grossmutter in Süditalien, bis er als Fünfzehnjähriger in die Schweiz «zurückeinwanderte». Auf der Suche nach einem Gefühl von Heimat und Identität kehrt er auch heute noch immer wieder in das italienische Dorf seiner Familie zurück. In dunklen Pastelltönen zeichnet er dort die Umgebung seiner Kindheit, grauschwarze Häuserfassaden unter weissem Himmel in schwungvollen, groben Linien. Russo interessiert nicht das fein ziselierte Bild Süditaliens mit blühenden Zitronenbäumen unter einer strahlenden Sonne, sondern die karge Einfachheit, welche zur Bedrohung der Existenz werden kann. Dazwischen spiegelt der Künstler sich selbst in einer Zeichnung, beinahe unkenntlich in eine schwarze Wolke aus Kohlekreide gehüllt. Geprägt von den Erinnerungen an die Kindheit wird die Sicht auf die Umgebung introspektiv, und so stellt Russo diese innere Wahrnehmung in seinen Zeichnungen auch dar. Zurück in seinem Riesbacher Atelier in der Schweiz ändert sich jeweils alles: Der Blick öffnet sich und richtet sich nach aussen. Schicht um Schicht unverdünnter Ölfarbe trägt Russo auf seine Leinwand auf, Grün vermischt sich mit Karminrot und Zitronengelb. Die Reliefs aus Pflanzen, Bäumen und Gräsern wirken wie Fenster ins Grüne, es sind Ausschnitte der Landschaft. Hier handelt es sich nicht mehr um dräuende Kindheitserinnerungen, sondern um eine Entfaltung der eigenen Person und der künstlerischen Praxis. Denn Russos Ölfarbe zeigt sich als Gestaltungsmedium einer visualisierten Liebe zur Natur und wird so zur Meditation über das Wesentliche des Lebens selbst.